Ernest John Boehner und die Flakfalle von Wega

Bad Wildungen. In Wega befand sich bis vor wenigen Jahren das einzige Gleisdreieck in Nordhessen. Noch heute kann man den teilweise von Gleisen abgebauten Bahnkörper erkennen. Die Eisenbahnbrücke hinter dem Bahnübergang hat man vor drei Jahren abgerissen, um LKWs eine bessere Durchfahrt zu ermöglichen.
Wie aber sah es in den letzten Kriegstagen im Bereich des Bahnhofs und Dreiecks aus?

Ein Bericht von Hans-Joachim Adler

Zwischen dem östlichen Teil des Bahnareals und Wega hatte 1943 die Firma Fieseler Flugzeugbau ihr Ergänzungslager eingerichtet, von hier aus wurden die ausgelagerten Werke Schreufa, Eschwege, Battenhausen und Kassel mit Flugzeugteilen versorgt. Noch in den letzten Märztagen wurde ein Zug mit 60 Waggons beladen, der Material zurück nach Kassel ins Werk II brachte, das bis dahin nur von wenigen Bomben getroffen worden war. Auf einer Flächen von 30.000 m2  sollte hier von neuem produziert werden, bevor im März 1944 die Fertigung der Focke – Wulf 190, die man in Lizenz baute, ausgelagert wurde. In den umliegenden Waldgebieten von Wega wurde bis zum Einmarsch der Amerikaner weiter an Flugzeugen gebaut, kleinere Lager gab es auch in Scheunen und Baracken. Auch Ersatzteillager vom Fliegerhorst Fritzlar waren in den Ortschaften des Edertals um Wega untergebracht. Heute noch sind viele Gerätschaften davon, wie zum Beispiel Hebegeräte und ähnliches, in Gebrauch.

In diesem Tunnel wurde die Flak auf einem Rungenwagen versteckt

Oberleutnant Ernest J. Boehner

Oberleutnant Ernest John Boehner von der 78. Fightergroup flog am 1. März 1945 mit seiner P 51 Begleitschutz für Bomber auf der Route Stuttgart – Ulm – Kassel. Eine Gruppe der Jäger wurde dem Bomberverband vorausgeschickt, um aufsteigende deutsche Jäger zu bekämpfen. Waren keine feindlichen Jagdflugzeuge in der Luft, hatten die Mustangpiloten den Befehl, lohnende Ziele am Boden anzugreifen. Im Bahnhofsbereich von Wega waren zur Ablenkung vier beschädigte Dampfloks abgestellt worden. Diese wurden immer wieder Ziel anfliegender Jagdbomber, die ihre Munition darauf verschossen, so auch am 1. März 1945.

Oberleutnant Ernest John Boehner (Foto: Kelly McNeil)
Die Ruhestätte von Ernest John Boehner

Aussenlager von Fieseler

Zum Schutz des Fieselerlagers stand im Bahnhofsbereich meist ein Flakgeschütz. In den Märztagen hatte man dieses Geschütz auf einen Rungenwagen gesetzt, der zeitweise mit einer Lok bewegt wurde. Über Mandern anfliegend schossen Boehner und sein Rottenflieger Richard Bewitt mit ihren Waffen auf die abgestellten Dampfloks. Die Bedienung des Geschützes hatte sich an der Einfahrt des nördlich gelegenen Tunnels postiert, von wo aus sie die anfliegenden Maschinen bekämpften. Von ihnen erhielt Boehners Mustang einige Treffer und eine Rauchfahne begleitete den Flug der Maschine. Über Funk erklärte er Bewitt, dass er aussteigen müsse, was aber wegen der geringen Höhe nicht mehr möglich war.
Bis zum Aufschlag westlich von Mandern vergingen nur wenige Sekunden. Bewitt umkreiste kurz die Absturzstelle, konnte aber von Boehner nichts mehr ausmachen. All die geschah gegen 14 45 Uhr. Auf seinen Einsatzhorst in Compiegne/Margny zurückgekehrt, legte Brewitt alles schriftlich nieder. Seine Notizen wurden später für den “Missing Air Crew Report” verwendet. EIn polnischer Fremdarbeiter war als erster an der Unglücksstelle. Boehner hatte es brennend aus der Kabine geschleudert. Er lag im Wiesengrund neben der Absturzstelle. Sofort zog der Pole den Schwerstverletzten in den nahegelegenen Bach, in dem er ihn löschte. Hier konnte aber kurze Zeit später nur noch der Tod des Piloten festgestellt werden.
Er wurde er zunächst auf dem Friedhof von Mandern beerdigt.  Hier wurde er allerdings schon 1946 exhumiert und nach Holland überführt. Die Reste der Maschine hat die deutsche Wehrmacht schon wenige Tage später abtransportiert.

Hinter dem Bahnhofsgebäude Richtung Mandern waren die 4 Loks abgestellt

Flugzeugteile gefunden

Bei der Begehung des Areals mit Zeitzeugen brachten Mitglieder der AG Luftkrieg Ederbergland einige Kleinteile, sowie ein Propellerblatt der Mustang ans Tageslicht. Auf dem Waldboden liegend hatten die Relikte 50 Jahre überdauert, ohne dass sie irgendjemand wahrgenommen hatte.

Flugzeugteile von der P51 Mustang von Lt. Ernest John Boehner