Hatzfeld – Deckname “Carmen” Komplettierungsstelle für V2-Raketen

Frühjahr 1945: Allliierte Truppen drangen immer tiefer ins “Großdeutsche Reich” ein, das Ende des Zweiten Weltkriegs nahte. Doch die Nationalsozialisten wetterten bar jeder Realität, mit den “Wunderwaffen” werde sich das Kriegsglück schon noch wenden. Dazu zählten sie die “Vergeltungswaffe 2” – Raketen. In die Logistik für die Abschüsse war auch das Frankenberger Land eingebunden. Die Arbeitsgemeinschaft Luftkrieg Ederbergland hat die einstige Komplettierungsstelle “Carmen” untersucht – und wurde fündig. 

Ein Bericht von Hans Joachim Adler

Die letzten Kriegswochen des Jahres 1945 waren geprägt von Hektik, Improvisation und Angst ums Überleben. An allen Fronten wich die deutsche Wehrmacht zurück, ihr fehlte es an Material und Soldaten. Die Alliierten hatten inzwischen die völlige Lufthoheit errungen, immer wieder griffen Flugzeuge im Tiefflug an. Auch an Hatzfeld waren die Kriegsgeschehnisse nicht ohne Schäden vorbeigegangen.
Außerhalb der Stadt, in Richtung Beddelhausen, hatten Heereseinheiten ein Materiallager für die “V2” errichtet, was der aller höchsten Geheimhaltungsstufe unterlag. Allen Lagern dieser Form hatte die Wehrmachtsführung Tarnnamen  gegeben, für Hatzfeld war “Carmen” ausgegeben worden. 40 Soldaten der Wehrmacht versahen dort ihren Dienst, gut abgesichert durch Bäume und Tarnnetze. Auch ein Flakgeschütz war zur Sicherung in Stellung gebracht worden, es sollte Tiefflieger bekämpfen, die es auf diese Einrichtung abgesehen hatten.

Lager für den Nachschub

Direkt am Bahndamm hatten Arbeiter einen schwenkbaren Kran aufgebaut, mit dem Material von Eisenbahnwaggons verladen werden konnte. Die Nazipropaganda hatte den Einsatz der “V2”- Raketen schon seit einiger Zeit in Presse und Film bejubelt – nun hatten sie ihren Weg auch nach Hatzfeld gefunden. Zuletzt wurden “V2” aus dem Westerwald verschossen.
Sprengköpfe in blauen Behältern (??) lagerten unter hohen Tannen, wo sie auf ihre Verwendung warteten, aber auch Graphit-Strahlruder gehörten zu den Lagerbeständen.
Schon vor 13 Jahren war einem Angehörigen der Arbeitsgemeinschaft ein schwarzes Teil aufgefallen, was kaum vom dortigen Gestein zu unterscheiden war, nur Rillen auf dem gesteinsähnlichen Brocken ließen auf etwas Künstliches schließen. Bei der späteren Untersuchung stellte sich heraus, dass es sich um ein Strahlruder-Teil handelt.
 

Bei Hatzfeld gab es eine V2 Ergänzungsstelle

Untersuchunge vor Ort

Mit Genehmigung der Forstbehörde starteten Mitglieder kürzlich eine Suche, die mehr Klarheit über das Komplettierungslager bringen sollte. Acht Mitarbeiter beteiligten sich an der Untersuchung, die für zwei Tage angesetzt war, wobei mit drei Gruppen vorgegangen wurde. Mit dabei war wieder der Diplom-Kaufmann Mario Isack aus Hellenhahn im Westerwald, der schon im Burgwald nach Resten von dort gesprengten Fahrzeugen der Division “zur Vergeltung” gesucht hatte (siehe Stichwort AG “Luftkrieg).
Schon vorher war die zu untersuchende Fläche genau vermessen worden; auf mindestens einem halben Quadratkilometer musste nach Resten gesucht werden. Schnell tauchten die ersten Reststücke von Strahlrudern auf, was die Suche eingrenzte.
Außerdem wurde der Sockel des Verladekrans gefunden, dabei stach besonders die genaue Anordnung der abgeschnittenen Stützen ins Auge. Genau 80 mal 80 Zentimeter waren die Eisen ins Fundament eingegossen, kaum begreifbar unter den damaligen chaotischen Kriegsumständen. Der Sockel war gegossen worden, als noch Frost herrschte, was die Arbeiten nicht gerade erleichterte. Der später abgebaute Kran habe in Hatzfeld nach dem Kriege noch wertvolle Dienste geleistet, wie ein Zeitzeuge berichtet.
Nun warf sich wieder die Frage auf: Warum waren die Strahlruder zerschlagen worden? Eine Möglichkeit: aus Geheimhaltungsgründen, da sich auf jedem Objekt ein Typenhinweis befand, der hier fehlte. Oder hatten die amerikanischen Soldaten aus Unwissenheit die schwarzen Ruder zerschlagen, von denen sie nach ihrem Einmarsch am 28.März 1945 mehrere Kisten fanden?
Als Erstes haben die US- Truppen die vorgefundenen Materialmengen gesichert und dann auf Lastwagen abtransportiert. So sind auch von Hatzfeld aus große Mengen nach Antwerpen transportiert worden, von wo aus diese in die Vereinigten Staaten verschifft wurden. Dieses Schicksal ereilte auch die “V2”, die US-Soldaten bei ihrem Vormarsch auf Paderborn am Bromskirchener Bahnhof auf Waggons verladen erbeutet hatten – es waren die ersten vollständigen Raketen dieses Types.
Eine Lagerbaracke hatte den deutschen Wachmannschaften als Unterkunft gedient. Von ihr ist nur die planierte Grundfläche übrig geblieben.40 Soldaten haben dort mindestens einen Monat zugebracht. Einquartiert waren sie bei Privatleuten in Hatzfeld, der Stab hatte im Rathaus Quartier bezogen.

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